Freitag, 8. August 2014

Die Weltreise nach Kaprun

Dass die Gäste aus den Golfstaaten gerne mit dem Auto unterwegs sind, kann man derzeit in und um Zell am See sehr gut beobachten. Das Auto ist dem Araber in Selamsi Nutzding und Status-Symbol zu gleichen Teilen. Die Autovermieter freut's, die vom Verkehr geplagten Zeller weniger. Nichtsdestotrotz: Selamsi-Saprun will erkundet werden, und wo der "Teleferik" nicht hinfährt, da kommt das Auto zum Einsatz - und umgekehrt. Denn der Fußmarsch ist dem arabischen Gast eine Denkunmöglichkeit und ihm von daher schon gar nicht vorschlagbar. Die erstauntesten Blicke auf Erden kann man ernten, wenn man einem Araber ans Herz legt, doch einmal das Auto stehen zu lassen, und die Umgebung per pedes zu erkunden!

Weil man nie genau weiß, wo man sich befindet und wo man eigentlich hin will, ist ist auch das GPS-Gerät entsprechend wichtig. Da Araber kein sehr entspanntes Verhältnis zu Post-Adressen haben, müssen also am besten die entsprechenden Koordinaten her. Der Tourismusverband hat diese mittlerweile ja für jede Sehenswürdigkeit in den Informationsbroschüren angeführt. Doch selbst die nackte Tatsächlichkeit der kalten Koordinaten vermag viele Gäste nicht zu überzeugen. So zum Beispiel einen jungen Herren aus Riad, der, nachdem er die Koordinaten für die Seilbahnstation in Kaprun in sein Navigationsgerät eingegeben hat, wieder ungläubig zur Rezeption kommt und mir das Ding unter die Nase hält. "This right?", fragt er verunsichert. Ich versichere ihm, dass der auf dem Bildschirm angezeigte Ort tatsächlich der heiß ersehnte "Teleferik" ist, der ihn ins ewige Eis bringen soll. "But where teleferik?" - so leicht lässt sich der Herr nicht abspeisen, denn er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass in diesem engen Tal, das sein Navi ihm digital bestens aufbereitet anzeigt, irgendwo eine Seilbahn sein soll. Ich versichere ihm abermals, dass es die richtige Adresse ist, und er sich ruhig darauf verlassen kann, an dortiger Stelle einen "Teleferik" vorzufinden.

Aber ihn scheint auch die Fahrtzeit zu irritieren, denn obwohl das Navigationsgerät diese korrekt anzeigt, fragt er: "How long drive?" Ich blicke auf das Gerät, deute auf die Zahl und sage: "Sixteen Minutes!" Der Araber schaut auch auf das Display, blickt mich aber an, als hätte ich gerade einen offensichtlichen Blödsinn geredet. "Six-Teen? No sixty?" - "No, six-teen!", betone ich geduldig. Er ist stutzig; nicht nur, dass er mir nicht ganz zu trauen scheint, er traut auch seinem Navigationsgerät nicht. Vielleicht liegt es daran, dass auch dieser Gast eine schier unglaubliche Reisezeit von München nach Zell am See gehabt hat, denn er hatte bei seiner Ankunft behauptet, er wäre 10 Stunden unterwegs gewesen. (Bei seinen undeutlichen Ausführungen war bemerkenswerterweise auch das Wort "Switzerland" gefallen.)

"Sixteen, ha?", fragt er nochmal und blickt mich an, als würde er jeden Moment erwarten, dass das Team von Versteckte Kamera sich endlich zu erkennen gibt. "Yes", sage ich erneut und ich versuche es so versichernd wie nur möglich klingen zu lassen: Es ist ein beruhigendes, leicht gedehntes "Yes", dessen "s" galant nachzischt - aber nicht zu viel, denn jeder Kubikmilimeter Luft, der durch meine Zähne strömt, kann das Misstrauen meines Gastes schon wieder zum Auflodern bringen. Schnell schicke ich noch ein "It's not far!" hinterher, um alle Zweifel entgültig zu zerstreuen.
Er blickt noch einmal auf das Display, die 16 scheint vor seinen Augen einen beschwörenden Tanz aufzuführen. Kurz bevor ich das Gefühl habe, dass er nun glaubt, dass er nun endlich Gewissheit erfährt, mit sich, mir und dem Gerät im Reinen ist, sieht er mir in die Augen wie ein kleines Kind, welches das Ergebnis einer Rechenaufgabe mehr geraten als errechnet hat, und er sagt: "Minutes or hours?"

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