Dienstag, 11. August 2015

Gewöhnungseffekte

"Schau de Arawa on", gurrt der Herr mittleren Alters, der jeden Tag in der Fußgängerzone seine gespritzten Weißweine trinkt als wären sie Quellwasser. "So schod, dass eanane Weiwa vasteckn."
"Mhm", macht der andere Herr, der die Passion seines Gegenübers teilt. Das anregende Gespräch entfaltet sich in einem heiteren Reigen weinseliger Resignation:

"Und Fockn sands a, de Arawa", weiß der erste zu berichten.
"Jojo", sagt der andere.
"Autofoan kennans a nid, de Deppn"
"Na eh!"
"Kinda homms wia Flech! Owa eh kloa, de zoin a koane Steian!"
"Hmm!"
"Oaweitn tans oi as Kamötreiwa"
"Hmpf!"
"Und insane Schafin tadns am liabstn ausbliatn lossn!"
"Ageh!"
"Und grühn tadnsas am Balkon oda im Hotözimma!"
"Ho i scho gheat!"
"Und bettn tans am höichtn Toug mittn auf da Stroß!"
"A grausig!"
"An gonzn Toug im Bett liegn tans! Faul sands! Und auf d'Nocht stengans erscht auf!"
"A Luadavoik, a elentigs!"
"Nocha foans aufn Beag und do sitzns nua deppat do und schaund owi. Nid amoi wondan gengans!"
"Na oag!"
"Oda schwimma. Deafns jo nid. De gangatn jo unta med eanane Kaftan!"
"Jo, direkt owisaugn tats es!"
"Mit de Kuttn, dassma nix siagg. So schod. Wei fesche Weiwa hatatns scho!"
"Jo eh!"
"Unta de Kuttn homms as schenste Gwond!"
"Ah schau!"
"Und eikaffn tanns wia de Deppatn! De Gscheftsleit homm a Recht a Freid!"
"Aso?"
"Jo na, eh. San eh guat fiad d'Wirtschoft, woast scho?"
"Jojo, d'Wirtschoft!"
"Owa heapassn tans hoid a nid."
"Na üwahaupp nid."
"Und as Schlimmste, woast wos des Schlimmste is?"
"Wos eppa?"
"Saufn tans nix!"
"Ageh?!"
"Na, gou nix. Und wenn mia bei eana unt waratn, deafat ma a nix sauffn!"
"Sackra!"
"Des is a koa Lem nid!"
"Na, g'wiss nid!"
"Owa do mechat i a nia hi. Do is nua hoas und üwaroi nua Sondt"
"Wia in Italien!"
"Na, in Italien moggst wenigstens sauffn!"
"Ajo!"
"Na und Urlaub is des a koana fia de: An gonzn Tog nix doa!"
"Und nid amoi sauffn!"
"Koa Wunda, dass deanan fad weaschd!"
"So wia ins!"
"Wia ins? Ins is a nid fad!"
"Ajo! Mia sauffnd jo!"
"Sixtes!"

Zufrieden bestellen die beiden noch einen Spritzwein und sorgen so dafür, dass dem heimischen Gastgewerbe im Sommer nicht gänzliche die Luft ausgeht.

Montag, 3. August 2015

Der arabische Imperativ

Bei der Kommunikation mit unseren arabischen Gästen fällt seit geraumer Zeit eine Entwicklung auf, auf die hinzuweisen mir wert erscheint: Wir bemerken nämlich das Verschwinden eines sprachlichen Phänomens, dessen Ursprung ungewiss ist. Die Rede ist vom arabischen Imperativ: jener Befehlsform nämlich, welche die Kommunikation zwischen Österreichern und Arabern vor allem in den ersten Jahren massiv beeinträchtigt hat. Der arabische Imperativ trat vor allem in den folgenden Gesprächseröffnungen auf: "Give me", "tell me", "bring me" und "show me". Nahezu jeder Satzanfang enthielt eine dieser Varianten und machte so den weiteren Gesprächsverlauf für die österreichische Seite unangenehm. Da gab es kein Bitte und kein Danke und freilich auch keine konjunktivischen Höflichkeitsfloskeln, an die vor allem wir Österreicher so gewöhnt sind ("Entschuldigen's, gnä' Fräulein! Geh'ns bitt'schön, könnten's mir vielleicht einen Kaffee bringen, wenn's Zeit haben? Des wär fein, dank Ihnen!").

Im arabischen Englisch hieß es da ganz einfach: "Bring me coffee!". So eindeutig die Bestellung, so rauh der Ton. Das Bedienpersonal in den heimischen Kaffeehäusern bemühte sich stets darum, gesprächspädagogische Arbeit zu leisten, und so verbesserten viele die Bestellung um ein "please!", was nur selten zur Folge hatte, dass der arabische Kunde das auch nachsprach:

A: "Bring me coffee!"
B: "Please!"
A: "No, coffee!"
B: "Yes, but please! Bring me coffee, please!"
A: "I want coffee!"
B: "Please!"
A: ?!?!?

Vielfach wurde das den Gästen als reine Unhöflichkeit ausgelegt, die ihren Ursprung anscheinend darin haben soll, dass die Araber den Österreicher als eine Art Sklaven begreifen, dem es anzuschaffen gilt. Damit wurde nicht nur eine einfache Erklärung geliefert, die bloß auf die fremde Kultur verweist und damit genau gar nichts erklärt, sondern es wurden gleichzeitig auch willkommene Parallelen zu anderen Gästen, etwa den russischen gezogen. Gemeinsamer Nenner war da also die Arroganz der neureichen Völker, die uns in einer Art touristischen Feldzug zu Ausgebeuteten machen, weil uns ihr Geld mehr wert ist als ihnen selbst. Soweit, so gut - aber auch so unzureichend.

Denn wie erklärt es sich dann, dass der arabische Imperativ in den letzten Jahren zu einer Art gefährdeten Spezies geworden ist? Warum kommen mir immer mehr Zeller und Zellerinnen unter, die von den "überaus freundlichen Arabern" berichten, die höflichst (fast schon österreichisch) eine Auskunft erbeten, um sich dann ebenso überschwänglich zu bedanken?
Aus "Tell me! Where is lake?" wurde so etwas: "Hello, my friend, how are you? Excuse me, can you tell me where can I find the lake?" (je nach Sprachfähigkeit, versteht sich!)

Irgendwer muss es den Gästen gesagt haben, dass ein "Please" bei uns gern gehört wird. Oder es ist schlicht eine Generationenfrage, denn man sieht allein schon am Satzbau und am verwendeten Wortschatz, dass die umständlichere und höflichere Formulierung meist von solchen Arabern verwendet wird, deren Englisch zumindest passabel ist.
Die Zwischenform, jenes Vehikel, das die Kommunikation vom arabischen Imperativ zum "arabischen Schmäh" (wie ich die neue Form der Anrede nennen möchte, weil sie schon teils groteske Züge trägt) ist das gute, alte "Excuse me!". Dieses pseudohöfliche Zwitterwesen diente und dient noch als Phrase, um die Aufmerksamkeit des Angesprochenen auf sich zu lenken. Kaffeehauskellner können wohl ein Lied davon singen, wie sie zwischen lauter "Excuse me!"-rufenden Arabern umherspringen mussten und es teilweise immer noch müssen.

Der ersten Urlaubergeneration war das "Excuse me!" rein als sprachliches Mittel bekannt, mit dem man sich bemerkbar machen kann. Mit Höflichkeit hatte es noch wenig zu tun. Erst, als die Araber dahinterkamen, dass wir es gerne haben, wenn man Bitte und Danke sagt, erlangte das "Excuse me!" auch die Bedeutung einer höflicheren Gesprächseröffnung, als gleich per arabischen Imperativ mit der Tür ins Haus zu fallen. Dennoch: Es war nie gemeint, dass man sich tatsächlich für irgendetwas entschuldigte (wofür auch?). Und so schnell lässt sich das "Excuse me!" auch nicht aus dem Sprachgebrauch vertreiben, funktioniert es ja noch allzu gut. Erstens, weil es als sprachliches Mittel zur Gesprächseröffnung anerkannt ist; und zweitens, weil man doch niemandem böse sein kann, der sich erst einmal entschuldigt für alles, was noch kommen mag.

Sei es also eine reiseerfahrenere Generation, deren Englisch besser ist als das ihrer Eltern, die den arabischen Imperativ zum Verschwinden gebracht hat, oder sei es die bloße Einsicht (oder die Information durch jemand Dritten), dass man mit gebrüllten Befehlen nicht so weit kommt wie mit höflichem Fragen: Die Tage, an denen ein grimmig dreinschauender Araber mit einem "Give me umbrella!" einen Regenschirm verlangt, dürften wohl - bis auf wenige Ausnahmen - gezählt sein. Das Zauberwort heißt Information!