Samstag, 25. Juli 2015

Aufi mursi!

Bekanntlich haben unsere Gäste aus dem Morgenland eine andere Zeitwahrnehmung als wir. Nicht nur das - immer wieder verwundern sie mit eigenartigem Timing bei der Planung ihrer Aktivitäten. Beispiele dafür gibt es ja viele, nun diene aber ein exemplarisches zur Illustration der Synchronizitätsprobleme zwischen Morgen- und Abendland:

Herr A. ist geübter Selamsi-Urlauber und man sollte meinen, er wisse über die Betriebszeiten der Bergbahnen ungefähr Bescheid. Dass aber die Seilbahn nur bis 17 Uhr fährt ("five o'clock in the afternoon!?"), bereitet ihm bei jedem Nachfragen erneut die größte Überraschung. Schließlich, so scheint es, beginnt der arabische Tag nie vor vier Uhr Nachmittag und reicht bis weit in die Nacht.

Nun gut, diesmal waren es nicht die Betriebszeiten der Bahn allein, die Herrn A. Schwierigkeiten machten - oder sollte man lieber sagen "machen sollten", denn er selbst nahm wenig Anstoß daran, was jeden anderen sich eine Seilbahnfahrt gründlich überlegen ließe: Um 16 Uhr, also eine Stunde vor dem Schließen der Seilbahn, zog nämlich heftiger Sturm auf und es regnete wie aus Kübeln. Zuvor schien 7 Stunden lang die Sonne und kaum ein Wölkchen trübte die Fernsicht, die man vom Gipfel der Schmittenhöhe gehabt hätte - wäre man da schon hinaufgefahren.

Herr A. aber, nachdem er den bisherigen Tag einkaufend und auf dem Zimmer sitzend zugebracht hatte, kam um Punkt 16 Uhr an die Rezeption und fragte nach den Seilbahnzeiten. Mit einem prüfenden Blick aus dem Fenster vergewisserte ich mich, dass es draußen durchaus noch wild stürmte und Platzregen vom Himmel fiel - schließlich kann sich das Wetter in den Bergen ja minütlich ändern. Doch tatsächlich: Immer noch sintflutartiger Regen und Wind, so wild, dass ich die Blumenkisteln einzeln rumpeln zu hören glaubte.

Herr A. ließ sich durch meinen Blick aus dem Fenster von seinem Vorhaben nicht abbringen. Ich versicherte ihm jedoch, dass eine Auffahrt mit der Seilbahn am morgigen Tag lohnender wäre. Erstens, weil es nur noch eine Stunde bis zur Schließung dauere, und zweitens, weil das Wetter weder der Seilbahnfahrt selbst, noch der zu erwartenden Aussicht besonders zuträglich sei. Freilich ließ ich mich nicht zu komplizierten Erklärungen hinreißen und sagte bloß: "Tomorrow it's better!" und schickte dem zweifelnden Blick des Herren A. noch ein "trust me!" hinterher. Enttäuscht zog sich dieser wieder auf sein Zimmer zurück, um sicherlich am Balkon dem ungewohnten Naturschauspiel beizuwohnen.

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