Sonntag, 25. Mai 2014

Überraschung mit Ankündigung

Ein ZDF-Filmteam schleicht durch die Zeller Innenstadt. Offenbar sind sie auf der Suche nach verschleierten Arabern und aufgebrachten Einheimischen in Lederhosen, die ihnen den Müll hinterherwerfen, den erstere achtlos liegen gelassen haben. Die Filmcrew muss enttäuscht sein, denn es schieben sich an diesem Sonntag Nachmittag nur ein paar deutsche Rentnergruppen müde durch die Straßen. Vielleicht können die Journalisten diese interviewen und fragen, ob sie ein paar von diesen sonderbaren Gästen aus dem Morgenland gesehen haben; und ob sie sich auch so gestört fühlten wie es die Einheimischen anscheinend vorgeben zu sein. Ob sie Erfolg hatten, weiß ich nicht, aber vielleicht verrät es uns demnächst das deutsche Fernsehen.

Nach ein paar Presseberichten (u.a. in der Süddeutschen Zeitung und der britischen Daily Mail), ist das Interesse an unserem kleinen Alpenparadies offenbar dramatisch gestiegen. Das alles seit der ORF-Journalist Karim El-Gawhary letzen Dienstag nach Zell geladen wurde. Eigentlich sollte er sein neues Buch vorstellen, doch im hiesigen Kongresszentrum, das bis auf den letzten Platz besetzt war (eine Premiere?), stand er einem aufgebrachten Zeller Publikum gegenüber. Er sollte sich nun zur regionalen 'Araberproblematik' äußern. Gescheiterweise hat er uns bloß daran erinnert, dass mit ein bisschen Aufgeschlossenheit und Respekt viele Probleme zu überwinden sind, und dass wir froh sein sollten, selbst keine gröberen zu haben. (Wie viele Menschen, die in der arabischen Welt geboren wurden und nicht das Glück haben, im Sommer Zell am See besuchen zu können).

Die "Benimmfibel für Araber" wirbelte viel Wüstenstaub auf in den letzten Tagen. Dieser trübte sowohl das Panorama wie auch die Stirn vieler kritischer Beobachter. Von Rassismus und Tourismus-Apartheid war da die Rede. Dabei erklären wir unseren arabischen Gästen nur unsere Kultur und wie es bei uns so zugeht. Für viele ist das hilfreich und viele andere wissen von ihren vorangegangenen Besuchen eh schon Bescheid. Und da liegt das Grundproblem, warum der ganze Bahoi, der um diesen Ratgeber gemacht wurde, überhaupt unsinnig ist: Weil er gefühlte 15 Jahre zu spät kommt. Weil sich die Zeller, anstatt sich mit ihren neuen Gästen auseinanderzusetzen, wie die kleinen Kinder die Augen und Ohren zugehalten haben in der Hoffnung, der böse Spuk möge bald vorbei sein. Als sie bemerkten, dass dies nicht so bald der Fall sein würde, fingen sie an, Schauergeschichten über die "Verschleierten" zu erzählen. Die Araber störte das natürlich nur wenig, denn sie wussten nichts davon. Nur, dass sie von den seltsamen Gebirglern nicht viel Freundschaftliches erwarten könnten, das mussten sie bald spüren. Es hat daher auch noch keiner von ihnen gesagt, dass er wegen der Menschen so gerne nach Österreich reisen würde...

Ausgrausigen hat nicht funktioniert, also arrangierte man sich so gut es ging, holte sich quasi die Feinde in die Hotelbetten. Jetzt kommt man plötzlich darauf, dass man ja auch mit ihnen reden könnte und gestaltet eine Broschüre, die den Gästen das erklärt, was wir ihnen während der letzten Dekade nicht verständlich machen konnten. (Nicht, weil sie es nicht kapierten, sondern weil wir es nicht versucht haben!) Dass wir nämlich auch nur Menschen sind, unsere eigene Kultur haben, und gerne Gäste da haben, die auch gewisse Regeln respektieren. Prinzipiell ein richtiger Schritt, aber, wie gesagt, ein später. Wer jetzt glaubt, wir drücken den Arabern eine Broschüre in die Hand und alles wird gut, hat nichts verstanden. Das ist alles erst der Anfang von etwas, was man heutzutage unter Völkerverständigung (oder interkulturellem Austausch) versteht. Gerne möchte ich Karim El-Gawhary Glauben schenken, wenn er auf seiner Facebook-Seite sagt: "Ich bin sicher, dass die Menschen in Zell am See die Probleme in den Griff bekommen, wenn sie aufgeschlossen bleiben."

Vielleicht sind auch viele froh, dass ahnungslose deutsche Filmteams gerade jetzt nach Zell kommen und nicht erst im August, wenn sie ihren Stationen auch die richtigen Bilder liefern können: Jene des schwarzen Horrors am "Golf von Österreich", tausende Araber in Motorbooten, Autos und auf Fahrrädern. Und möglicherweise kommen auch nächstes Wochenende noch ein paar Journalisten, wenn tausende Rentner aus Deutschland, Italien und der Schweiz die Zeller Straßen im Rahmen des Salzburger Musikfrühlings säumen - einer kurzen Veranstaltung ohne grässlich komplizierter Kulturgräben.

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