Dienstag, 27. Mai 2014

Hot Milk

Folgende Begebenheit illustriert wunderbar die sprachlichen Probleme, die man mit arabischen Gästen haben kann. Viele sind des Englischen nicht oder nur ungenügend mächtig und so werden selbst die einfachsten Anfragen oft zu mühseligen Angelegenheiten. Dass in vielen Fällen ausgerechnet die Frauen als Helfer in der Not einspringen müssen, erfüllt mich persönlich immer wieder mit Genugtuung. In diesem Fall kam das so:

Am Frühstücksbuffet

Der Araber starrt unsicher in den Krug mit der kalten Milch. Hilfesuchend sieht er sich um.
"Can I help you?", frage ich. Er deutet auf den Krug und sagt "Milk! milk?!"
"Yes, it's milk", versuche ich seine Zweifel zu zerstreuen. Der Araber macht eine abwehrende Handbewegung. Dann scheint er mit einer Hand die Milch durchzustreichen.
"No milk?", frage ich verunsichert. "Yes, yes!" und wieder streicht er die Milch durch. Dann hebt er mit einer Hand die Milch etwas an und lässt die Handfläche der anderen mysteriös unter der Kanne kreisen. Es sieht aus als wollte er dem Krug etwas Zauberhaftes entlocken.
"Warm milk?", rate ich und imitiere seine Handbewegungen zaghaft. Der Araber sieht mich verstört an. Anscheinend habe ich jetzt etwas ganz Falsches gesagt.
"No, no, but..." sagt er und beschwört wieder den Krug. Ich möchte ihm ja wirklich helfen, doch ein Teil von mir wartet bereits darauf, dass die Milch auf die Handbewegungen des Arabers in irgendeiner Weise reagiert. So starren wir gemeinsam auf den Milchkrug und wissen nicht weiter.

Da kommt mir die Idee mit den Synonymen: "Hot milk? Warm milk? ... Milk warm, hot? ... Boil? ... Heat?", frage ich, während meinen Händen die absurdesten Gesten einfallen. So bilde ich mit meinen Fingern züngelnde Flammen nach, drehe an imaginären Gashähnen und schüttle die Hände als hätte ich sie mir gerade verbrüht.
Der Araber schaut entsetzt. - "Milk different?", erkundigt er sich und es klingt als frage er nach meiner geistigen Gesundheit.
"You want different milk? What milk? This is normal milk. You want soy milk? Low-fat milk?" - ich werde immer aufgeregter. Nicht, dass ich ihm mit Soja- oder Halbfettmilch dienen könnte, aber momentan interessiert mich einfach, was mir der Mensch mit seinen seltsamen Anstalten zu verstehen geben möchte.
Er wirkt etwas verzagt, sieht sich wieder hilfesuchend um; draußen sitzt seine Frau auf der Terrasse. Er deutet mir zu warten, lächelt schuldbewusst und verschwindet zu seinem Tisch. Ich bleibe stehen und untersuche inzwischen die Milch nach etwaigen Mängeln. Doch es scheint alles in Ordnung zu sein.

Der Araber kommt zurück und versucht es noch einmal: "Milk! I need milk milk!"
"Milk milk?", imitiere ich seine Babysprache belustigt.
"This milk, different!", und wieder beschwört er die Kanne. Er kann eigentlich nur warme Milch meinen, und schon drehe ich mich um, um dem armen Araber warme Milch zu holen, da sagt er "Wait!" und deutet mir, mitzukommen.
Ich folge ihm auf die Terrasse, doch kurz vor seinem Tisch zeigt er mir an, dass ich stehen bleiben solle. Er spricht aufgeregt mit seiner Frau. Dann ruft er mir etwas auf Arabisch zu. Ich hebe meine Augenbrauen und sehe beide abwechselnd fragend an. Schließlich gibt er auf, winkt mich an den Tisch und deutet vielsagend auf seine Frau.
"Hot milk, please!", murmelt diese unter ihrem Schleier hervor und in ihrer Stimme meine ich ein Lächeln zu hören, welches ich natürlich nicht sehen kann. Ich drehe mich triumphierend zu ihrem Mann und wiederhole: "Hot milk, you see! Warm milk! Hot milk!" Er nickt heftig mit dem Kopf, als hätte er nie irgendetwas anderes gesagt.
Erleichtert springe ich davon, und als ich wieder an ihren Tisch komme, wiederhole ich: "Hot milk! Warm milk!" - "Yes, yes!" nickt der Araber und lacht, weil er wohl wieder eine neue Vokabel gelernt hat.
Die Meinung seiner Frau zu diesem Thema kann ich nur vermuten, aber ich denke, sie hat sich gefreut, dass sie mit ihren Englischkenntnissen das Frühstück ein wenig gelungener gestalten konnte. Ob sich ihr Mann für sein schlechtes Englisch geschämt hat? Ich bezweifle es...

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