Araber, so die gängige Vorstellung, trinken keinen Alkohol. Dabei gibt es immer wieder welche, die sich in die heimischen Bars verirren. Manche trinken heimlich in einer Ecke ihr verbotenes Bier. Andere wiederum erfreuen sich ganz offen heiterer Geselligkeit. Ein solcher war Ibrahim, und folgendes ist passiert, als er auf einen lokalen Kampftrinker stieß:
Ibrahim hat große Hände, und er kann damit Musik machen. Dauernd
klatscht, trommelt und schnippt er. Uns Eingeborenen versucht er, eine
uns vollkommen unbekannte Art des Fingerschnippens beizubringen und
lacht sich dabei halb tot, während wir wie die ersten Affen dastehen und
mit kompliziertesten Verrenkungen unserer Handknochen genau gar keinen
Ton erzeugen. Ibrahim schnippt vergnügt und macht das so laut, dass es
fast in den Ohren weh tut, während uns bereits die Sehnen heiß werden
und immer noch kein Ton zu vernehmen ist.
Schließlich
hat er Nachsehen mit uns und zeigt uns etwas anderes: Er macht ein
galoppierendes Pferd nach. Auch das geht in Kuwait anders als in
Österreich, wo man sich mit Händeklatschen und Oberschenkelpatschen
zufrieden gibt. Ibrahim benützt den Hohlraum zwischen seinen gefalteten,
großen Händen, seine Stirn, seine Brust und schließlich erst den
Oberschenkel. Wie die Töne entstehen, die das Geräusch eines
galoppierenden Gauls viel überzeugender nachahmen als unser
Klatsch-Patsch, bleibt uns verborgen. Niemand der Anwesenden versucht
sich an dem 'kuwaitischen Gaul'; alle blicken nur bewundernd den fremden
Mann an, der mit uns mindestens genauso viel Freude zu haben scheint,
wie wir mit ihm haben. Daheim wird er wohl erzählen, wie er die
Barkultur in Österreich befruchtet hat und die dort Ansässigen mit
billigen Tricks zum Staunen brachte.
Der große Bernd,
ein 2 Meter 10 hoher Hüne mit langem, fettigem Haar und
Indiandergesicht, meint, er müsse Ibrahims Darbietungen etwas
entgegensetzen und macht den 'abgeschnittenen Daumen', jenen
Volksschultrick also, der dem Zuseher vorgaukeln soll, dass man die
Spitze seines Daumens beliebig verschieben könne, während es sich in
Wahrheit um den Daumen der zweiten Hand handelt. Ibrahim kichert
belustigt und macht ein Gesicht, als ob er den großen Bernd fragen
wollte, ob er ihn verarschen wolle. „This is trick that make little
kid!“, sagt Ibrahim und deutet die ungefähre Körpergröße an, die solche
Kinder haben, welche derartige Kunststücke aufführen.
Der
große Bernd zeigt noch einen Trick – diesmal mit dem Feuerzeug: Er hält
es mit ausgestrecktem Arm vor seinen Körper, lässt eine Flamme
erscheinen und führt dann das Feuerzeug langsam über seinen Kopf. Dann
bläst der große Bernd einmal kurz, und wie von Zauberhand erlischt die
Flamme über seinem Haupt! Ein bezeichnendes und passendes Bild, Ibrahim
aber fühlt sich schön langsam nicht mehr ganz ernst genommen vom großen
Bernd. Es ist auch eine traurige Angelegenheit: Da packt der Kuwaiti
einen guten Schmäh nach dem anderen aus, und der Zeller kann nur mit
Gags aufwarten, die ein kritisches Kleinkindpublikum bei jedem
Kindergeburtstag mit erbostem Schwedenbomben-Werfen quittieren würde.
Ibrahim
aber ist barmherzig und führt weiter Kunststücke vor, erzählt Witze und
macht mit seinem Körper Musik. Irgendwer muss ihm jetzt Einhalt
gebieten, sonst hält er uns für einen unkreativen Haufen leicht zu
beeindruckender Wilder (was wir vermutlich auch sind)!
Also
fasst sich der große Bernd erneut ein Herz und greift tief in die
Trickkiste: „Look!“, sagt er und hält Ibrahim Zeige- und Mittelfinger
vor das Gesicht. „Hoffentlich kommt jetzt nicht wieder so etwas wie der
abgesägte Finger!“, denke ich mir. Ibrahim schaut mehr freundlich als
gespannt auf die beiden dicken Bernd-Finger. Auch er erwartet jetzt
nichts Besonderes, seine Höflichkeit aber gebietet ihm, dem Bernd seine
ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Da taucht der Bernd die Finger in sein
Bier, drückt sie von innen gegen das Glas und hebt so das Bier in die
Höhe. Ibrahim lacht und klatscht – damit hat er zumindest nicht
gerechnet! Mit einem Ruck lässt der große Bernd jetzt das Bierglas nach
oben sausen, zieht die beiden Finger raus, fängt das Glas mit der selben
Hand wieder auf und leert es in einem Zug. Ibrahim tobt, alle
klatschen, der große Bernd streckt die Faust gen Himmel wie ein Boxer
nach einem KO-Sieg. Sein Indianergesicht ziert ein breites Grinsen, halb
von Freude, halb vom abendlichen Alkoholkonsum gezeichnet. „Give him
another beer!“ ruft Ibrahim aufgeregt und legt auch gleich lachend das
Geld hin. Jetzt hat ihn der große Bernd überzeugt!
Die
Freude währt jedoch nicht lange, denn nachdem Ibrahim wieder ein paar
Tricks vorgeführt hat, nimmt der große Bernd einen weiteren ersten und
letzten Schluck von seinem Bier und wankt sodann rückwärts zur Türe
hinaus. „I give up“, lässt er Ibrahim wissen und fällt beinahe in die
Staude vor dem Lokal. Besorgt sieht Ibrahim ihm nach, dreht sich zu mir
und sagt: „Is big man, hurt much when fall! - But good trick with beer! I
will practice!“ Dann schnippt er wieder vergnügt und trommelt auf der
Bar 1001 mir gänzlich fremde Rhythmen. Ein Abend der
Völkerverständigung, des Kulturaustauschs und der Ehrenrettung durch
einen Pinzgauer Kampftrinker geht zu Ende...
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